Sehr geehrte Frau Pieper,

wie Ihnen und Frau Gebauer hinlänglich bekannt ist, bleiben in den Schulen NRWs zahlreiche Lehrer*innen-Stellen unbesetzt, weil mangels Bewerber*innen die Stellenausschreibungen leerlaufen.

Das gilt leider auch für den Förderschwerpunkt Sprache. Viele Schulleiterinnen und Schulleiter beklagen, dass ausgeschriebene Stellen nicht besetzt werden können, weil keine Lehrkräfte „auf dem Markt“ sind.

Da ist es ärgerlich und äußerst unverständlich, dass auf der Homepage des Ministeriums unter

Prognosen zum Lehrer*innenarbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen – Einstellungschancen für Lehrkräfte bis 2030 immer noch Folgendes steht:

„In den Fachrichtungen Sprache sowie Körperliche und motorische Entwicklung (beides mit mittlerer quantitativer Bedeutung) bestehen dagegen nur eingeschränkte Chancen, da hier mit einer ausreichenden Bewerberzahl zu rechnen ist.“ (https://www.schulministerium.nrw.de/docs/LehrkraftNRW/Arbeitsmarkt/Prognosen.pdf) .

Auf diese Prognosen berufen sich nach wie vor die Unis (z.B. https://www.tu-dortmund.de/uni/de/studierende/studienangebot/kurzinfos/lehramt/geist_kultur/fk13_sonderpaed_bml_fr/)
oder weitere Beratungsinstitutionen (https://www.bildung.koeln.de/ausbildung_studium/artikel/artikel_04838.html) .
An der Uni Köln „geistert“ wohl auch noch eine alte Broschüre zu den Berufsperspektiven.
(http://philtypo3.uni-koeln.de/fileadmin/sites/projekt_becker-mrotzek/pdf/Prognosen_08.pdf).

Auch die Anfrage der CDU vom 26.3.2017 zu den veralteten Informationen auf der Internetseite des MSB hat wohl nichts bewirken können.
(https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-14995.pdf)
Auf Seite 3 oben wird die Negativeinschätzung für den Bereich Sprache sogar wiederholt.

Bereits am 23.02.2012 hatten die beiden dgs-Landesgruppen Frau Löhrmann darauf aufmerksam gemacht, dass solch negative Einstellungsprognosen auf der Internetseite des Schulministeriums in Zeiten, in denen 40% der ausgeschriebenen Stellen nicht besetzt werden können, kontraindiziert sind. Frau Löhrmann ließ uns durch Herrn Alexander Brech (AZ: 115-6.0108.01) mitteilen:

„Im Jahr 2009 lag die Bedarfsdeckungsquote für den Förderschwerpunkt Sprache bei rund 140%, für den Zeitraum bis 2020 wird unter Berücksichtigung von Berufsaustritten und voraussichtlichen Neueinstellungen sogar eine Quote von 145% prognostiziert. Es sind also genügend Lehrkräfte mit dem Förderschwerpunkt Sprache im System, diese müssen jedoch in vielen Fällen – weil der entsprechende Bedarf im Förderschwerpunkt Sprache nicht gegeben ist – in ihren weiteren Fachrichtungen eingesetzt werden.“

Wie sich in der Praxis zeigt, lag diese Prognose vollkommen daneben.

Das Verfahren zur Neubesetzung des Lehrstuhls Sprachbehindertenpädagogik in schulischen und außerschulischen Bereichen (ehemals Prof. Dr. Motsch) ist nach unseren Informationen zurzeit ausgesetzt. Der Verdacht liegt nahe, dass das u. a. auch mit der falschen Bedarfsdeckungsquote zu tun hat.

Wir setzen deshalb in Frau Gebauer und Sie die Hoffnung, dass diese irreführende und für die fachlich qualifizierte schulische Förderung sprachbeeinträchtigter Schülerinnen und Schüler abträgliche Einstellungsprognose schnell von der Homepage verschwindet.

Mit freundlichen Grüßen

Uta Kröger                                          Theo Schaus

dgs-Westfalen-Lippe                         dgs-Rheinland