Tief betroffen erfuhren wir, dass Prof. em. Dr. Manfred Grohnfeldt wenige Tage vor seinem 75. Geburtstag am 10. Dezember 2023 verstorben ist. Wir verlieren mit ihm einen der prägendsten und wegweisenden Lehrer unseres Faches, der dem Rheinland und unserer Landesgruppe sehr verbunden war.

Professor Grohnfeldt wirkte nach seinem Studium der Pädagogik und Sonderpädagogik in Bremen und Hamburg (unter anderem bei Ulrich Bleidick) zunächst in Schulen, Ambulanzen und Beratungsstellen für Sprachbehinderte, Gehörlose und Schwerhörige, bevor er mit gerade einmal 28 Jahren 1977 seine erste Professur in Reutlingen antrat. Genau 10 Jahre später, im Jahr 1987, wurde er als Nachfolger von Gerda Knura Inhaber des Lehrstuhls für die Pädagogik der Sprachbehinderten an der Universität zu Köln, den er bis zum Jahr 2000 innehatte.

Viele unserer Mitglieder kennen Professor Grohnfeldt aus seinen überaus erfolgreichen Jahren in Köln. Diese Zeit war geprägt von hohen Studierendenzahlen, und da das Fach Sprachbehindertenpädagogik auch als 2. Fachrichtung gerne gewählt wurde, hörten sehr, sehr viele Studierende seine überaus lehrreichen, bestens strukturierten Vorlesungen zur Einführung in die Sprachpathologie und Sprachbehindertenpädagogik. Ich selbst war während dieser Zeit vier Jahre lang Mitarbeiter am Lehrstuhl von Professor Grohnfeldt und hatte in ihm einen Chef, der immer darauf bedacht war, den Menschen Räume, Möglichkeiten und neue Perspektiven zu eröffnen.

Manfred Grohnfeldt hatte sich in Köln mit einem Vortrag zum Thema „Menschenbilder in der Sprachbehindertenpädagogik“ beworben, der in Heft 1/1987 der „Sprachheilarbeit“ erschienen ist und im dgs-Bundesarchiv bis heute online abgerufen werden kann. Dieser Aufsatz ist Programm seines Wirkens und nun auch Vermächtnis zugleich, denn der Autor betont darin seine zutiefst menschenfreundliche Haltung gegenüber Personen mit sprachlichen Beeinträchtigungen: Im Mittelpunkt steht bei ihm die pädagogisch-therapeutische Beziehung im Rahmen eines ganzheitlich-interaktionalen Vorgehens. Grohnfeldt brachte also das Pädagogische mit dem Therapeutischen zusammen; er betonte die Gleichberechtigung von erzieherischem und heilendem Wirken, indem er den Begriff der Therapie auf seinen griechischen Ursprung „therapéia“ (= begleiten) zurückführte. Man kann wohl zurecht behaupten, dass Manfred Grohnfeldt nachhaltig dazu beigetragen hat, dass ein eher mechanistisches um ein ganzheitlich-dialogisches sprachheilpädagogisches Selbstverständnis erweitert wurde.

Professor Manfred Grohnfeldt beendete seine Berufslaufsbahn im Anschluss an die Jahre in Köln als Ordinarius für Sprachbehindertenpädagogik von 2000 bis zu seiner Emeritierung 2014 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. In den danach folgenden Jahren des Ruhestands hat er weiterhin die Geschichte des Faches aufgearbeitet und u. a. durch Interviews mit Zeitzeugen an die Traditionen erinnert und dabei stets die Zukunft im Blick behalten. Wir hätten ihm noch viele weitere Jahre als Pensionär gegönnt, und unser Mitgefühl gilt seinen nächsten Angehörigen. Manfred Grohnfeldt wird uns allen sehr fehlen.

Dr. Reiner Bahr